Schon bald werden wir nostalgisch an die Zeiten zurück denken, als wir noch Projekte in Flash realisiert haben. Wenn keine Wunder geschehen dürfte das meiner Meinung nach schon in wenigen Jahren der Fall sein. Eine Ansage: 2012 werden weltweit bereits 30% aller grossen Kampagnen, Microsites und interaktiven Erlebnisse auf offene Standards setzen. Eine Erklärung zu diesem Schätzwert später.
Die Zeichen verdichten sich. The Wilderness Downtown hat im September letzten Jahres gezeigt, was technisch mit HTML5 möglich ist. Sour hat letzten Monat die Latte höher gelegt. Gestern nun hat Firstborn – eine Agentur, die in den letzten Jahren mit weltklasse Flash-Erlebnissen berühmt geworden ist – ihr neustes Kind vorgestellt: New Year, New Skinsuit, New SoBe. Die Idee eines interaktiven Fotoshootings alleine wäre hier kaum eine Erwähnung wert. In HTML5 umgesetzt lässt es uns aufhorchen. Absolut umwerfend ist die Qualität der Umsetzung.
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Abstriche gegenüber einer Flash-Umsetzung gibt es kaum. Das eine oder andere Detail sind auszumachen. So sind wir uns von Firstborn Buttons mit aufwändigeren Mouseover-Effekten oder ausgefeiltere Loading-Sequenzen gewohnt. Das ist Jammern auf höchstem Niveau. Gut möglich, dass man diese Punkte absichtlich vernachlässigt hat – ansonsten würde die revolutionäre Umsetzung gar niemandem auffallen.
Zurück zum Schätzwert. Zugegeben, 30% aller grossen Kampagnen ist hoch gegriffen. Damit es überhaupt soweit kommen kann braucht es eine ganze Menge Veränderungen. Die meisten davon haben bereits eingesetzt, einige sind gar unaufhaltsam.
Der Wille zur Veränderung
Das Umdenken findet hat teilweise bereits statt gefunden, denoch gibt es noch eine Menge zu tun: Es ist bequemer, auf einer etablierten Technologie zu entwickeln, für die es Erfahrungswerte gibt: Zeit und Kosten können bei Flash-Projekten relativ genau abgeschätzt werden. Für HTML5 fehlen vielen Agenturen die Erfahrungswerte, die erst langsam gesammelt werden.
Das Know How
Flash-Entwickler sind eine Spezies, von der kaum eine Agentur je genügend hat. So begehrt wie sie sind, so wenige gibt es. Nun werden nicht alle Flash-Entwickler von heute auf morgen HTML5 beherrschen. Frontend-Entwickler am Puls der Zeit gibt es meines Wissens noch weniger als Flash-Entwickler, da diese erst seit relativ kurzer Zeit zu höchsten Ehren aufgestiegen sind. Der grösste Flaschenhals für den Wandel sehe ich also in diesem Punkt.
Die Entwickler-Tools
Flash hat in den letzten Jahren einige grosse Sprünge bezüglich Entwicklungsumgebungen erlebt. Kaum ein Developer verwendet heute noch Flash, um Flash-Sites zu programmieren. Für HTML5 gibt es meines Wissens noch keine ausgereiften IDEs. Da es sich um einen offenen Standard handelt und dieser “bloss” weiter entwickelt wurde, dürfte dieser Punkt aber ziemlich schnell erfüllt sein.
Die Browser
Zur Zeit gibt es 2 Browser, die den HTML5 Standard soweit implementiert haben, dass die hier vorgestellten Projekte darauf betrachtet werden können: Chrome und Safari. Zusammen weisen diese einen Marktanteil von knapp 20% auf. Der Release von Firefox 4 ist auf Ende Februar angesetzt, dieser wird den Anteil der HTML5-fähigen Browser relativ schnell auf 50% anheben.
Internet Explorer mit einem Marktanteil von über 40% ist die grosse Bremse: Während andere Browser über 2/3 der HTML5 und CSS3 Standards erfüllen, so schafft der IE9 nicht mal 30% (Quelle). Allerdings verliert dieser Browser seit 2006 konstant 6% Marktanteil pro Jahr (Quelle), d.h. Ende 2012 dürfte der Anteil noch bei 30% liegen.
Das mobile Web
Was der IE bremst, beschleunigt die mobile Internet-Nutzung. Weltweit gesehen geht bereits heute 30 bis 40% der Internet Nutzung auf mobile Endgeräte zurück. In der Schweiz nutzt jeder 4te bereits heute ein Smartphone, um auf das Web zuzugreifen (Quelle). In spätestens 4 Jahren wird die mobile Internet-Nutzung (Smartphones und Tablets) die Desktop-Nutzung übersteigen (Quelle). Wer dies bezweifelt sollte sich das Video zum Mobile Year 2010 anschauen. Kurz und bündig: Soll eine Kampagne die Zielgruppe erreichen, muss sie auch auf dem Smartphone funktionieren. Dies können offene Webstandard heute – und aller Voraussicht nach auch in Zukunft – besser bieten als Flash.
Fazit
Bis vor kurzem ging ich noch davon aus, dass Flash auch in den nächsten paar Jahren nicht aus einer interaktiven Kampagne wegzudenken wäre. Heute bin ich anderer Meinung. Insbesondere die rasante Geschwindigkeit, mit der HTML5 aufgenommen wird, die wahnsinnigen Fortschritte innert kürzester Zeit und die Euphorie rund um diesen neuen Standard haben mich überzeugt. Flash lebt zwar noch – aber nicht mehr lange.